Zuerst einmal, wie komme ich überhaupt dazu, eine Antwort an solch ein deutsches, geistliches „Schwergewicht“ zu schreiben? Zumal er ja gar nicht mehr antworten kann! Was sind meine Beweggründe und warum halte ich es für relevant? Nun, eigentlich geht es mir lediglich darum, biblisch aufzuzeigen, welche argumentativen Fehler sehr oft gemacht werden, wenn es um das Thema „göttliche Heilung“ geht. Dazu kommt oft eine gehörige Portion Skepsis (gerade im deutschen Raum), was sogenannte „Heilungsversammlungen“ oder „Heilungsgottesdienste“ angeht. Da Pfarrer Busch, der bereits 1966 heimgegangen ist, in dem unten verlinkten Ausschnitt sehr gut die Standardargumente anführt, sowie auch die oft in unserem Land zu findende spottende Haltung dieser Frömmigkeitspraxis demonstriert, habe ich mich entschieden, diesen Clip zu verlinken und darauf einzugehen.
Bevor wir uns die Worte Wilhelm Buschs anhören, will ich noch betonen, dass ich weder einen Bruder im Herrn verurteilen, noch seinen gesegneten Dienst als Evangelist in unserem Land geringschätzen möchte, der durch das Buch Jesus unser Schicksal weit über seinen Heimgang hinaus Herzen berührt. Auch möchte ich keine spezifischen Heilungsdienste oder -praktiken rechtfertigen. Mir geht es lediglich um eine biblisch ausgewogene Haltung dem Thema „Heilung“ gegenüber. Aber zuerst des Pfarrers eigene Worte.
Jeder, der mich etwas kennt, weiß, dass mein Blutdruck beim Hören dieser Worte leicht gestiegen ist. Natürlich bin ich mir bewusst, dass dies nur ein kleiner – wenn auch deutlicher – Abriss seiner Meinung zu diesem Thema ist. Leider finden wir aber die gleiche Denkweise, Argumentation und Fehleinordnung sehr oft, auch bei vielen Predigern, Pastoren und Lehrern. Darum möchte ich die Ausführungen Pfarrer Buschs – bis auf einige wenige Sätze – betrachten und darauf eingehen.
„Von Heilungsversammlungen […] halte ich gar nichts.“
Natürlich ist dies nur eine Zusammenfassung seiner Sichtweise bevor er in die Argumentation einsteigt. Wichtig wäre eigentlich eine Klärung, was eine „Heilungsversammlung“ für ihn ausmacht. Wir können nur spekulieren, was genau Pfarrer Busch im Sinn hatte, auch wenn er in seinen späteren Ausführungen etwas auf den Ablauf dieser Versammlungen eingeht. Auch wenn ich seine Bedenken gegenüber Hysterie und Massensuggestion teile, müssen wir in jedem Fall anerkennen, dass der Dienst Jesu von großen Menschenmassen geprägt war, die zu Ihm kamen, um geheilt zu werden. Jesus begegnete dieser Not nur zu gerne (siehe Matthäus 4,24; 8,16-17; 12,15; Apostelgeschichte 10,38). Insofern ist an einer Versammlung, deren Mittelpunkt Jesus und Hauptthema Heilung ist, biblisch gar nichts auszusetzen. Im Gegenteil, wir sehen sie im Dienst Jesu, dem wir nacheifern sollen (Johannes 14,12).
„Zu den Heilungsversammlungen laufen 50% Leute, die gar nicht krank sind, sondern hysterisch sind, und sich ihre Krankheiten einbilden.“
Ohne psychosomatische Phänomene verleugnen zu wollen, muss doch gesagt werden, dass dies eine unbegründete, schon fast aus der Luft gegriffene Aussage ist, der ich zu oft begegne. Abgesehen davon, wie spekulativ die Prozentangabe ist, empfinde ich diese Äußerung als despektierlich den Menschen gegenüber, die Beschwerden haben und solche „Heilungsversammlungen“ aufsuchen, um Erleichterung zu finden. Denn gerade Menschen mit psychosomatischen Problemen werden schnell von der Schulmedizin abgeschrieben.
„Selbstverständlich kann mein Herr Kranke gesund machen. […] Mein Herr Jesus kann natürlich Kranke heilen […] Mein Herr kann das!“
Kein Christ würde diese Wahrheit verleugnen. Leider bedeutet sie nicht viel. Wirklich jeder Atheist könnte hypothetisch damit übereinstimmen, dass wenn es einen Gott gäbe und wenn Er allmächtig wäre, Er auch heilen könnte. Dies steht außer Frage. Die Frage beim Thema „Heilungsversammlungen“ ist ja niemals „Kann Jesus heilen?“ Die grundlegende Frage ist immer „Will Jesus heilen?“ Anscheinend schien den Menschen zur Zeit Jesu im Neuen Testament die Antwort auf diese Frage klar zu sein. Viele nahmen lange und schwere Wege auf sich, nur um zu Ihm zu kommen.
„Aber er kann auch einen Menschen in der Krankheit lassen. Und diese pfingstlichen Heiler, die sagen, ‘Jesus heilt in jedem Falle, und wenn er dich nicht gesund macht, hast du keinen Glauben!’ Das ist verkehrt!“
Eine sehr breit angelegte Aussage. Die Frage, ob Jesus jemanden „in der Krankheit lassen“ kann ist verbunden mit dem Hinweis auf „diese pfingstlichen Heiler.“ Dies ist wichtig, denn durch die Pfingstbewegung kam die Lehre des „vollen Evangeliums.“ Dabei handelt es sich um die Offenbarung, dass Jesus nicht „nur“ zur Vergebung unserer Sünden gestorben ist (obwohl das natürlich der wichtigste Aspekt ist), sondern am Kreuz auch unsere körperlichen Gebrechen getragen hat. Das Alte Testament prophezeit es in Jesaja 53,4-5 und das Neue Testament bestätigt es in Matthäus 8,16-17 und 1 Petrus 2,24 als Teil des Evangeliums.
Dazu kommt, dass Jesus ALLE (!) heilte, die im Glauben zu Ihm kamen! Niemand wurde abgewiesen bzw. verließ Seine Gegenwart ohne die körperliche Heilung erfahren zu haben, die er erbeten hatte. Hat Jesus sich verändert? Ist Er nicht mehr derselbe wie vor 2000 Jahren? Oder ist und bleibt unser Herr und Retter derselbe, gestern, heute und in alle Ewigkeit (Hebräer 13,8)? Was dies nun praktisch bedeutet und welche Fragen es aufwirft sei erst einmal dahingestellt. Zuerst muss nur die Frage beantwortet werden: „Was lehrt die Bibel?“ Ob und wie der Glaube dabei eine Rolle spielt, ist erstmal zweitrangig.
„In der Bibel kommen Gläubige vor, die krank sind.“
Wer bezweifelt dies? Niemand hat diese Tatsache jemals widerlegen wollen. Dies ist der Grund, die Motivation, der Antrieb hinter den sogenannten „Heilungsversammlungen.“ Wenn an Jesus gläubige Menschen alle sofort körperlich geheilt wären, würde es gar keine Heilungsversammlungen geben. Aber die Tatsache, dass die Bibel von Gläubigen spricht, die krank waren, sagt nichts über den Heilungswillen Gottes aus. Auf den Kommentar über die apostolische Größe des Paulus, die sich in den Augen Pfarrer Buschs anscheinend verdienend auswirkt, gehe ich hier jetzt nicht näher ein.
„Jesus kann heilen, aber Jesus muss nicht heilen.“
Natürlich fühlt jeder Gläubige sich unwohl, wenn das Wort „muss“ in Verbindung mit dem Herrn Jesus steht. Ich empfinde dieses Wort aber auch als ungerecht gewählt. Ich drücke es mal so aus: Wenn Jesus am Kreuz Sünde und Krankheit getragen hat, würde Er dann jemals irgendjemandem Heilung verwehren wollen?
„Ein junges Mädchen, die gelähmt [war] durch Kinderlähmung. Und es war für sie sehr schwer […] Und da habe ich gesagt, ‘Jetzt musst du lernen, zu der schweren Führung Gottes Ja zu sagen.’“
Wann, frage ich, wann hat Jesus jemals zu auch nur einem Kranken gesagt, dass er zu Gottes „schwerer Führung“ Ja sagen muss? Dieses gedankliche Konzept, das wir so oft bei Brüdern und Schwestern vorfinden, ist dem Neuen Testament völlig unbekannt. Wie ein Prediger des Evangeliums in diesem Werk des Teufels (Apostelgeschichte 10,38) eine Führung Gottes sehen kann, ist mir ein Rätsel. Ich selber kenne unsere „pastorale Erklärungsnot“ zur Genüge. Niemals würde ich aber ein Werk Satans dem Wirken Gottes zuschreiben wollen. Erst recht dann nicht, wenn die gesamte Bibel so eindeutig vom Gegenteil spricht.
Besonders bewundernswert empfinde ich übrigens die Inkonsequenz dieser Lehre. Wenn Gott tatsächlich so führt, dürfen wir auf keinen Fall ärztliche Versorgung oder andere medizinische Hilfe annehmen. Dies wäre ein grober Verstoß gegen Gottes Führung und Rebellion gegen Seinen göttlichen Willen und ewigen Ratschluss! Daran wird sehr deutlich, dass die „schwere Führung Gottes“ nur herangezogen wird, um nicht in Erklärungsnöte zu bekommen. Im Neuen Testament ist sie, wie gesagt, nicht zu finden.
„Man kann auch krank ein Segen sein.“
Auch das zweifelt niemand an. Allerdings ist dies wieder eine zu allgemeine Aussage. Natürlich kann ein Mensch im Rollstuhl anderen Menschen auf vielerlei Weise zum Segen werden. Ob ein Mensch im Wachkoma allerdings ein guter Vater für seine Kinder und ein richtiger Ehemann für seine Frau sein kann, ist eine andere Frage. Wenn man allerdings von „Gottes schwerer Führung“ ausgeht, wird auch hier oft gezwungenermaßen zu irgendwelchen philosophischen Antworten gegriffen.
„Und sie hat angefangen es zu lernen. Und dann kam so ein ‘Gesundheilungs- da, so’n, der auch von Jesus spricht. Und da ist sie in die Versammlung…“
Anscheinend hatte das junge Mädchen sich nicht wirklich damit abgefunden. Sonst wäre sie nicht zu einer Heilungsversammlung gegangen, die auch hier übrigens wieder sehr spöttisch und abwertend betitelt wird. Interessant ist der Hinweis, dass es bei diesen Gottesdiensten ja auch um Jesus ging. Ein nicht unwichtiges Detail bei der Beurteilung solcher Veranstaltungen.
„Und der hat geschrien ‘Steh auf, steh auf, du kannst!’, und da konnt’ sie und lief durch den Saal und brach hinten zusammen. Aber das sah man schon nicht mehr.“
Sie konnte? Sie konnte??? Poliomyelitis mit vollständigem Funktionsausfall der Skelettmuskeln und sie… konnte… laufen? Preist den Herrn!!! Was geschah dann? Etwas, das leider viel zu oft geschieht. Aber erging es nicht Petrus genauso, als er auf dem Wasser ging (Matthäus 14:28-31)? War der Glaube des Petrus nicht auch überwältigt von dem, was um ihn herum geschah? Ging er nicht auch unter? Aber war Jesus nicht trotzdem da? Hat Er nicht seine Hand genommen und Petrus aufgeholfen?
Ich danke Gott für dieses wunderbare Zeugnis, was Glauben an Jesus bewirken kann. Gleichzeitig erfüllt es mich mit Trauer, wie die Leiter um dieses Mädchen dies interpretierten.
„Dabei lag sie am Abend kränker als vorher da. Und zwar nicht jetzt bloß äußerlich, sondern innerlich krank, weil sie sagt, ‘Ich habe keinen Glauben, ich bin verworfen, sonst hätte der Herr mich gesund gemacht. Da habe ich gesagt, dass ist dummes Zeug, der Herr will dich krank haben und jetzt [lernst du, dazu Ja zu sagen.]“
Die Schuld an der Aussage des Mädchens trifft für mich eindeutig die Prediger, die diesem Mädchen eine unbiblische Lehre bezüglich Glauben, Errettung und Heilung nahegebracht haben. Wie kann, gerade im Licht des Petrus-Beispiels, die Schlussfolgerung sein „der Herr will dich krank?“ Wer hat dies je gepredigt? Jesus? Die Apostel? Nein, das Gegenteil haben sie gepredigt und demonstriert!
„Ich habe dem Mann geschrieben, Bitte, dein Opfer liegt krank da, geh hin und mach sie gesund! Da hat er geschrieben, Die hat keinen Glauben. Verstehen sie, das ist schrecklich.“
Das ist schrecklich. Genauso wie wir, wird der nicht namentlich erwähnte Prediger bestimmt in den Worten des Pfarrers erkannt haben, dass es keine ernstgemeinte Bitte war. Trotzdem war die Antwort – wenn sie denn so platt und salopp ausfiel – auch nicht sehr hilfreich.
Trotzdem muss man fragen – ohne verurteilend zu sein – welche Aussage biblischer ist. „Der Herr will dich krank“ oder „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? (Matthäus 14:31)“ Natürlich handelt es sich in unserem Zusammenhang nicht um den Erlösungsglauben, sondern um das fortwährende Vertrauen auf Jesus, dass Er unser Heiler ist.
„Ich sage nochmal, Jesus kann gesund machen, aber niemals in solchen lärmenden Versammlungen! Niemals! In der Stille macht er’s.“
Dies ist – verzeihen sie mir – ein überwiegend deutscher Glaube. Er ist nicht in der Bibel und fast nie in anderen Kulturen zu finden. Sowohl der Heilungsdienst Jesu, als auch der Dienst der Apostel war sehr öffentlich und von Menschenansammlungen geprägt. Gerade auch, weil viele Heilungen Zeichencharakter hatten und das Wort Gottes bestätigen sollten (Markus 16,17-20).
„Und er muss nicht gesund machen! Es ist ein Zeichen unserer armseligen Zeit, dass man einen Heiland will, nicht um Vergebung der Sünden zu haben, dass man einen Heiland will, nicht um ein Kind Gottes zu werden, sondern um sein Zahnweh loszuwerden, oder seinen Blinddarm.“
Wie sehr stimme ich Bruder Busch zu, dass wir in einer Zeit leben, wo die Leute mehr die Hand des Herrn suchen, als Sein Angesicht. Unsere Welt ist so sehr von Selbstzentriertheit geprägt, dass sich dies oft in der Theologie widerspiegelt. Dies tut aber der biblischen Wahrheit keinen Abbruch, dass Jesus Mensch wurde, um uns mit dem Vater zu versöhnen und auch um unsere Krankheit zu tragen. Mir kommt es wie ein Hohn vor, wenn Pfarrer Busch das schöne, alte Wort „Heiland“ in diesem Zusammenhang benutzt. Kommt es doch aus dem Althochdeutschen und bedeutet „Heiler.“ Die Übersetzung ergab sich, weil das griechische Wort für „Retter“ eben auch die Bedeutung „Heiler“ beinhaltet.
„Lesen sie mal das Neue Testament, da steht es anders.“
Nicht eine (!) theologische Aussage des Herrn Busch ist im Neuen Testament zu finden. Nicht eine Bibelstelle wird zitiert. Darum empfinde ich diese mächtig klingende Aussage leider als sehr fehl am Platz.
„In der Offenbarung steht, dass in der letzten Zeit der Satan Wunder tut. Und die Wunder sind kein Zeichen für göttliche Dinge. Der Satan kann auch Wunder tun.“
Richtig. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Mittelpunkt auch der Mittelpunkt bleibt, unser Herr Jesus, um den sich alles dreht. Interessant ist aber, dass Herr Busch anscheinend zugibt, dass es bei diesen Heilungsveranstaltungen durchaus Wunder gab. Allerdings scheint er sie dem Satan zuschreiben zu wollen. Dies impliziert etwas, das auch heute oft geglaubt wird. Nämlich, dass man sich heilungssuchend zu Gott, unserem Vater, ausstrecken kann und daraufhin eine dämonische Manifestation empfängt. Auch diese Denkweise ist höchst unbiblisch (Matthäus 7:7-11) und dazu noch sehr furchteinflößend.
„Bleiben sie nüchtern beim Wort Gottes, ich bitte sie herzlich!“
Dieser Bitte schließe ich mich an. Prüfen sie alles an Gottes Wort und räumen sie dem Wort den ersten Platz in ihrem Leben ein, weit vor jeder Erfahrung oder theologischem System. Ich bin mir sicher, sie werden erkennen, dass in der Bibel nichts gegen eine Versammlung von Kindern Gottes spricht, die gemeinsam Jesus preisen, das Wort Gottes studieren und die heilende Kraft Gottes im Glauben in Anspruch nehmen.
Wenn ihr in meinem (Jesu) Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen! Johannes 8,31-32